Katja:
„Früher konnte ich über eine unbedachte Bemerkung lachen oder sie einfach überhören. Heute reicht schon ein Augenrollen von jemandem im Meeting, und in mir springt sofort ein Alarm an. Es fühlt sich an, als hätte ich innen drin eine brennende Zündschnur und die ist mittlerweile so kurz, dass ein winziger Funke reicht.“
Sven:
„Bei mir sind es oft Kleinigkeiten, jemand kommt zu spät zum Termin, ein Kollege legt Unterlagen falsch ab, ein Kunde fragt zum dritten Mal das Gleiche. Früher hätte ich gelächelt und gesagt: ‚Kein Problem.‘ Heute spüre ich sofort, wie es in mir hochkocht. Als würde mein Körper sagen: ‚Jetzt reicht’s!‘, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe.“
Katja:
„Und weißt du, wann ich es besonders merke? Beim Autofahren. Wenn jemand plötzlich ausschert, zu langsam fährt oder mir die Vorfahrt nimmt mein Puls geht sofort hoch und merke, wie die Hände am Lenkrad fester werden. Das geht so schnell, als würde mein Körper auf Knopfdruck in den Angriffsmodus schalten.“
Sven:
„Das hab ich beim Autofahren auch. Bei mir reicht schon, wenn einer dicht auffährt. Ich fange an, innerlich mit dem zu diskutieren. Früher hätte ich einfach den Blinker gesetzt und ihn vorbei gelassen. Jetzt fühlt es sich sofort wie ein Angriff an. Es ist, als hätte ich null Toleranzgrenze.“
Katja:
„Es ist nicht nur Wut. Manchmal ist es auch diese Angst, gleich etwas Falsches zu sagen oder zu tun. Ich merke, wie mein Herz schneller schlägt, meine Kehle eng wird. Dann spiele ich nach außen die Coole lächle, rede, nicke aber innerlich brennt alles und ich ziehe mich zurück.“
Sven:
„Ich nenne es mein ‚Hochfahrprogramm. Früher ging es nur bei echten Krisen an, jetzt läuft es gefühlt dauernd. Ein falscher Tonfall, ein Blick, eine Änderung im Ablauf und zack, mein ganzer Körper ist in Alarmbereitschaft. Es ist, als hätte ich keinen Puffer mehr.“
Katja:
„Und danach bin ich erschöpft. So, als hätte mich ein fünfminütiges Gespräch stundenlang Energie gekostet. Dann ärgere ich mich über mich selbst, weil ich nicht gelassener war. Dieser Ärger auf mich selbst ist fast noch schlimmer.“
Sven:
„Bei mir kommt oft eine Mischung aus Ärger und Scham. Ärger, weil ich so reagiert habe. Scham, weil ich denke, andere merken, dass ich nicht mehr der bin, der ich mal war. Ich fange an, mich zu beobachten, jedes Wort, jede Geste und das macht mich nur noch angespannter.“
Katja:
„Manchmal habe ich das Gefühl, mein Körper weiß gar nicht mehr, wie ‚runterfahren‘ geht. Selbst wenn ich Feierabend habe, ist dieses Gefühl noch da. Ich kann mich schwer konzentrieren und verliere den Faden. Es gibt aber auch Momente, da bin ich einfach wieder Katja.“
Sven:
„Ja, genau. Früher konnte ich nach einem stressigen Tag abschalten, heute hänge ich innerlich noch Stunden später in der Situation fest. Ich liege im Bett und denke die Gespräche vom Tag wieder und wieder durch. Die Lunte ist nicht nur kürzer, manchmal habe ich das Gefühl, es gibt gar keine mehr.“
Kennst du das?
Du verlierst die Nerven fast grundlos. Ein falscher Blick, eine Kleinigkeit, ein Satz… und plötzlich explodierst du innerlich oder ziehst dich komplett zurück. Es passiert nur in bestimmten Situationen vielleicht immer auf der Arbeit oder nur zu Hause und dein System findet keinen „Aus-Knopf“ mehr. Früher warst du entspannt und sicher, hast dich wohl gefühlt. Alles lief logisch und im Flow Jetzt überkommt dich Angst vor Situationen, die früher selbstverständlich waren: ein Gespräch vor anderen, ein Meeting, ein Treffen im Freundeskreis.
Du hast das Gefühl, fehl am Platz zu sein, als würden alle über dich reden. Du spielst eine Rolle, die nicht deine ist. Du funktionierst hinter einer Fassade und die Abstände zwischen innerer Anspannung, Wut, Überforderung und Ängstlichkeit werden kürzer. Du merkst, wie die innere Lunte schrumpft und das macht dir erst recht Angst.
Oft liegt dahinter, dass du bisher immer „auf Vollpower“ unterwegs warst. Du hast alles im Blick, Lösungen parat, die Welt gerettet, weil du dich verantwortlich gefühlt hast. Für alles und jeden.
Die gute Nachricht: Du bist nicht falsch
Beruhigend ist: Du bist damit nicht alleine. Dieses Phänomen betrifft alle Geschlechter gleichermaßen.
Und das Wichtigste: Du bist nicht falsch. Du bist nicht „kaputt“. Du bist auch nicht schuld.
Im Gegenteil, dein Inneres hebt gerade die Hand und sagt: „Kümmere dich jetzt um mich.“ Es ist ein Hilferuf. Kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Signal deiner inneren Stärke, dass jetzt ein Wendepunkt nötig ist.
Was jetzt wichtig ist
Es geht nicht darum, jedes Detail deiner Vergangenheit psychologisch bis ins Kleinste zu analysieren. Es geht darum, begleitend, lösungsorientiert und vorbeugend Wege zu finden, wie du wieder zu dir selbst findest:
- Gespräche mit Menschen, die dir zuhören, ohne dich zu bewerten.
- Techniken, um dich selbst anzunehmen – mit allen Stärken und Schwächen.
- Ein Umfeld, das weiß, wie es dich unterstützen kann.
Leider warten viele, bis „Ground Zero“ erreicht ist, bis nichts mehr geht.
Mein Appell: Warte nicht so lange.
Investiere frühzeitig, sobald du die ersten Zeichen spürst. Werde sensibel für dich selbst.
Aus eigener Erfahrung
Ich spreche aus Erfahrung.
Ich habe selbst erlebt, wie es ist, wenn der Körper und der Geist plötzlich signalisieren: „So geht es nicht weiter meine Liebe.“ Ich habe frühzeitig für mich gesorgt und viele Wege ausprobiert und dadurch erlebt, wie kraftvoll es ist, rechtzeitig ins Handeln zu kommen und im Nachhinein auch, wie leicht es ist.
Heute weiß ich: Es gibt Methoden und es gibt einen Weg zurück zu dir.
Du musst ihn nicht alleine gehen.